Ritalin ist wie Equasym oder Medikinet ein Medikament mit dem Wirkstoff Methylphenidat. Dieser Wirkstoff wird ebenso wie der Wirkstoff DL-Amphetamin zur Therapie des Aufmerksamkeitsdefizitsyndroms (ADS) verwendet. Begriffe wie Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom (ADHS) oder Hyperkinetische Störung (HKS) sind weitgehend synonym zu sehen. Umgangsprachlich wird auch vom Zappelphilippsyndrom gesprochen.
Dieses Medikament fällt unter das Betäubungsmittelgesetz, kann also nur von Ärzten auf speziellen Rezepten und unter besonderer Kontrolle verordnet werden.
ADS (ich verwende den Begriff, da die Aufmerksamkeitsstörung zentral ist, die Hyperaktivität nur fakulativ auftritt). Es gibt somit neben den Wirbelwinden auch Traumtänzer.
Letztere müssen sicher nicht "ruhig gestellt" werden, dennoch hilft auch ihnen das Medikament Ritalin sich besser zu konzentrieren und offen und aufnahmefähig zu sein für andere Therapien, die immer zusätzlich erfolgen müssen. Dies sind z. B. exakte Aufklärung, Verhaltenstherapie, Ergotherapie, Entspannungsverfahren und Psychomotorik, besondere Regeln in der Erziehung, aber auch z. B. Sport. Auch muß das Umfeld entsprechend geschult werden um mit dem ADS-Kind klarzukommen.
Es geht nicht um ein Ändern oder Ruhigstellen der Kinder, es geht darum ihnen die gleichen Möglichkeiten zu eröffnen, die sie ohne ADS hätten.
Warum überhaupt ein Medikament? Bei vielen Kindern, bei denen ADS nicht sehr ausgeprägt ist, reichen andere Therapien und konsequente Erziehung, Regeln und Strukturen, bei manchen reicht es nicht.
ADS ist nicht Folge von Vernachlässigung, schlechter Erziehung, zuviel Süßigkeiten, zu wenig Bewegung oder Störungen während Schwangerschaft und Geburt. Sie können jedoch bestehende Symptome, die durch eine Störung des Hirnstoffwechsels ausgelöst wurden, verschlechtern. Zudem wird Verhalten auch in der Familie gelernt und nicht selten ist ein Elternteil ebenfalls von der Störung betroffen bzw. es hat sich ein negative Verhaltensspirale in der Familie aufgebaut.
Es gibt Störungsbilder die sich ähnlich äußern wie ADS, aber kein echtes ADS sind. Es wäre völliger Unsinn, diese mit Ritalin zu therapieren. Beim echten ADS wirkt der Wirktstoff regulierend im Gehirn und schafft so die Basis für andere Therapien. Falsch eingesetzt würde das Medikament dazu führen, daß die Kinder völlig unruhig und aufgedreht wären.
Ja, Medikamente haben Nebenwirkungen. Ohne Nebenwirkung keine Wirkung. Das ist leider bei Medikamenten so. Über Jahrzehnte haben sich jedoch keine Langzeitschädigungen feststellen lassen. Das Medikament muß in den seltensten Fällen lebenslang genommen werden. Die Erforschung und Therapie des ADS im Erwachsenenalter ist noch sehr in den Anfängen. Viele Probleme verschwinden jedoch im Erwachsenenalter, da sich die Jugendlichen (mit entsprechender Hilfe) Strategien aneignen können mit ihrem Problemen zurecht zu kommen bzw. sich Wege suchen ihnen aus dem Weg zu gehen. Ein ehemaliger extrem hyperaktiver Jugendlicher wird sich sicher keinen Schreibtischjob suchen, bei dem er 8 Stunden still sitzen müßte.
Grundlage für eine Therapie ist eine möglichst genaue Diagnose. Dazu ist eine umfangreiche Diagnostik nötig, die in Zusammenarbeit von Ärzten, Psychologen und im Idealfall Sozialpädagogen erfolgen sollte, da es leider keinen Test gibt, der mittels einer Untersuchung ein konkretes Ergebnis liefert.
ADS ist definitiv keine Erkrankung, die es jetzt erst gibt. Es gibt kein exakteres Beispiel als den Zappelphilipp, den Hofmann 1845 geschrieben hat sowie weitere Beispiel verteilt über die letzten Jahrhunderte. Durch veränderte (im Sinne von lockereren) Erziehungsmodellen, weniger echter Freizeit und Bewegung treten diese Störungen jetzt jedoch deutlicher auf.
Ich bin absolut gegen Ärzte, die vorschnell Tabletten verschreiben. Ich bin absolut dagegen, wenn Eltern denken, daß eine Tablette ihr Kind dauerhaft verändert ohne daß die ganze Familie mit dem Kind an den Problemen arbeitet. Ich weiß, daß durch Ritalin Kinder nicht zu Einser-Schülern werden und auch das sollten alle Eltern erfahren.
Das wichtigste ist vor allem, daß kein ADS-Kind wie das andere ist. Hier ist genauso wichtig jedes Kind so individuell zu sehen wie es ist, wie alle Kinder. Es gibt sogar Kinder, die in der Schule vor allem zappeln, zu Hause jedoch mehr träumen oder umgekehrt - macht die Diagnose und das Verständnis der Umwelt oft nicht einfacher.
Bei einem echten ADS-Kind wäre es jedoch absolute Vernachlässigung, wenn man ihm nicht alle Chancen geben würde, wenn man ständige Verletzungen, soziale Ausgrenzung etc. in Kauf nimmt, nur um keine Medikamente zu geben oder nicht zur Psychotherapie gehen zu müssen. Niemand würde bei einem Diabetiker überlegen, ob man ihm Insulin geben sollte oder einem Herzkranken die entsprechenden Tabletten.
Nur weil es Menschen gibt, die unverantwortlich und leichtfertig damit umgehen, sich die Geschichten teilweise auf auf vor 40 Jahren beziehen, wo Ritalin frei verkäuflich war und auch als Drogenersatzstoff konsumiert wurde, wegen sowas dürfen heute nicht Eltern und ihre Kinder verurteilt werden, die eine ernstzunehmende Störung behandeln wollen.
Was das Thema ADS so schwierig macht ist vor allem wohl eines: Das Störungsbild ist komplex, als Ursache sollte ein Bio-Psycho-Soziales Modell zu Grunde gelegt werden, das alle Ursachen integriert und es sollte nach einer umfangreichen multidisziplinären Diagnose auch eine multimodale Therpie erfolgen, die wiederum durch diverse Fachleute begleitet wird.
Ich weiß, daß das jetzt nur ein kurzer Abriß war. Wenn es noch Fragen gibt, ich werde alles dran setzen, sie zu beantworten.
Anja (bei der auch das Copyright für diesen Text liegt)
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